Wir wünschen allen Freund*innen und Bekannten viel Spaß auf der Fusion und anderswo, insbesondere auf freien und selbstorganisierten kleinen Festivals.
Feiert gegen alle schlechtgemeinten Boykottaufrufe oder Versuche dem Festival zu schaden.
Tanzt gegen alles Schlechte dieser Welt und des falschen Gesellschaftssystems.
Gegen Kapitalismus, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus … !
Oder es wäre vielleicht mal wieder an der Zeit sowas wie eine “Confusion” zu machen… ?
Denn Kritik musz sich die Fusion-Orga gefallen lassen bzw. sollte sie sich zu Herzen nehmen und diskutieren.
Siehe: JUNGLE.WORLD 2024/25 INLAND
https://jungle.world/artikel/2024/25/ferienintifada-auf-der-fusion
“20.06.2024
Die Organisatoren des linken Festivals äußern sich zu Israel
Ferienintifada auf der Fusion
Die Festivalleitung der Fusion fügt sich den Israel-Feinden. Die Gruppe »Palästina spricht« hatte zum Boykott aufgerufen – und plötzlich war das Existenzrecht Israels für den Verein, der das Festival organisiert, verhandelbar.
Kommentar Von Jessica Ramczik
Das Musikfestival Fusion ist bekannt als eine riesige Party. Es hat aber immer auch einen politischen Anspruch gehabt. Am 26. Juni soll das Festival beginnen, es häufen sich die Konflikte: Es geht – wie könnte es anders sein – um Antisemitismus.
Was Israel angeht, hatte die Fusion stets versucht, verschiedenen Positionen Raum zu geben. In früheren Jahren konnten problemlos Gruppen wie »Palästina spricht« am Festival mitwirken und dort politische Inhalte verbreiten – eine Gruppe, die mittlerweile den 7. Oktober 2023 als »revolutionären Tag« gefeiert hat, auf den man »stolz sein« könne.
Dass es so nach dem Pogrom der Hamas, zu dessen Zielen unter anderem Besucher eines israelischen Musikfestivals zählten, nicht einfach wie gehabt weitergehen konnte, schien man zunächst auch bei der Fusion verstanden zu haben.
Im Februar veröffentlichte Kulturkosmos – der Verein, der das Festival veranstaltet – deshalb einen Newsletter, um sich »zu positionieren«. Darin formulierte der Verein eine scharfe Kritik an Israels Kriegführung: »Der ›Krieg gegen die Hamas‹« sei »längst zu einem Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung geworden«, die israelische Gesellschaft befinde sich in einem »nie dagewesenen nationalistischen Taumel«. Er schrieb jedoch auch, dass, wer die Hamas feiere und das Existenzrecht Israels bestreite, auf dem Festival nicht willkommen sei.
Der Krieg in Gaza sei »Völkermord« und die israelische Besatzung »Apartheid«, schrieb die Festivalleitung – man habe diese Begriffe zuvor lediglich aus »falscher Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten« vermieden.
Das provozierte den Zorn der antiisraelischen Szene.
Im Mai veröffentlichte »Palästina spricht« einen offenen Brief. Der »Versuch des Fusion-Festivals, akzeptable Formen des Protests und Widerstands zu diktieren«, sei »Zensur«, hieß es dort.
Dass die Fusion »die Existenz eines Apartheid-Ethnostaates« anerkenne, »zeigt eine blinde Ausrichtung am zionistischen Projekt«.
Deshalb hätten »wir, Künstler:innen aus Palästina, dem Globalen Süden und unsere Verbündeten«, entschieden, das Festival zu boykottieren, andere seien aufgerufen, sich ihnen anzuschließen.
Noch am selben Tag veröffentlichte die Festivalleitung einen neuen Newsletter. Darin schrieb sie zunächst, es handele sich nicht um eine Antwort auf die Boykottkampagne von »Palästina spricht«. Das erscheint allerdings unglaubwürdig. Denn die Festivalleitung revidierte in ihrem Text betont reuevoll, was sie im Newsletter vom Februar geschrieben hatte.
Dass man sich im vorherigen Newsletter zu einem nicht verhandelbaren Existenzrecht Israels bekannt hatte, nannte die Festivalleitung nun »undifferenziert und plakativ«. Der Krieg in Gaza sei »Völkermord« und die israelische Besatzung »Apartheid« – man habe diese Begriffe zuvor lediglich aus »falscher Rücksicht auf “deutsche Befindlichkeiten”« (sic!) vermieden.
»About Blank« und »Bajszel« mit roten Dreiecken besprüht
Auf diese Art geht es weiter: »Gerade jetzt, in einer Zeit, da viele kulturelle Institutionen in Deutschland angesichts der staatlichen Repression gegen israelkritische Positionen unter Antisemitismusverdacht gestellt werden«, sei es »umso wichtiger, auch weiterhin palästinensischen Stimmen Raum auf der Fusion zu geben«.
Man »fühle« sich bei der Fusion »grundsätzlich solidarisch mit denen, die in der Welt ihren Protest gegen den Krieg in Gaza und ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk auf die Straße bringen und dies auch auf der Fusion zum Ausdruck bringen wollen, selbst wenn wir nicht immer dieselben Positionen haben«.
Darüber, dass dieser Protest weder verhehlen kann noch verhehlen will, antisemitischen Motiven zu folgen: kein Wort.
Offenbar will man nichts davon wissen, dass etliche Leute aus dem Kultur- und Subkulturbetrieb sich nicht mehr lediglich mit Palästinensern solidarisieren, sondern Antisemitismus in seinen vielfältigsten Erscheinungsformen Club- und HU-Tor öffnen, und damit ein Klima schafften, in dem in Berlin unter anderem der Club »About Blank« und die Kneipe »Bajszel« mit den roten Dreiecken besprüht wurden, mit denen die Hamas ihre Feinde markiert, und jüdische Studierende sich zum Teil nicht mehr an die Universität trauen.
Stattdessen heißt es, dass man noch stärker einen »möglichst diskriminierungskritischen Raum schaffen« schaffen wolle.
Es zeigte sich mal wieder – wenn es um Diskriminierung geht, gilt für viele Linke: Juden zählen nicht.(!)
Während man Hamas-Fans die Hand reicht, ignoriert man die Kritik von Juden und Jüdinnen und denen, die sich mit ihnen und Israel solidarisch zeigen.
An der Fusion wirken zahlreiche Menschen mit, viele von ihnen unbezahlt.
Inzwischen regt sich deutlicher Widerspruch gegen die Festivalleitung.
Am 7. Juni veröffentlichten »Crews, Crewmitglieder, Artists und Mitglieder bundesweiter Strukturen, die die Fusion (auch) in diesem Jahr mitgestalten woll(t)en«, eine Stellungnahme unter dem Namen »Fusionistas against Antisemitism and Antizionism«.
Man sei fassungslos, hieß es dort an die Festivalleitung gerichtet, »dass ihr kurz vor dem Festival, wenn kaum noch eine Reaktion unsererseits möglich ist, ein Statement veröffentlicht habt, das dem gerade noch konsensfähigen Statement vom Februar (auch dieses stieß vielen inhaltlich auf und wurde als problematisch empfunden) widerspricht bzw. die dort formulierten ›roten Linien‹ aushebelt«.
Die Fusion reagierte darauf mit einer neuen Stellungnahme, in der sie aber nichts zurücknahm, sondern sich lediglich dafür entschuldigte, »kurz vor Festivalbeginn Unruhe verursacht« zu haben.
Mit viel Wohlwollen kann man das Vorgehen der Fusion, gerade mit Blick auf die Tradition des Festivals, ein wenig nachvollziehen.
Die Fusion – das sind vier Tage Utopie, Ferienkommunismus, Hedonismus: Irgendwo zwischen Turmbühne und Bachstelzen sollen sich alle liebhaben.
Mitgefühl und Solidarität mit Menschen im Gaza-Streifen (unter denen sich bekanntlich ja auch noch israelische Hamas-Geiseln befinden) soll dort also ebenso Platz haben wie die Kritik am Antisemitismus.
Dass die Fusion aber tatsächlich das vermutlich kaum mehr Mögliche wagt, beidem Raum zu geben, ist aber nicht einmal mehr in Ansätzen zu erkennen.
Während man Hamas-Fans die Hand reicht, ignoriert man die Kritik von Juden und Jüdinnen und denen, die sich mit ihnen und Israel solidarisch zeigen.”
Vgl., Quelle: https://jungle.world/artikel/2024/25/ferienintifada-auf-der-fusion
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Zur Vorgeschichte, vgl.: https://fusion-festival.de/de/news/chronologie-der-texte-des-kulturkosmos-plenums-zum-krieg-in-gaza-und-der-situation-in-israel-und-pal-stina
https://archiv.fusion-festival.de/2023/de/2023/news/news-detailansicht/newsletter-november-2023.html
https://fusion-festival.de/de/news/newsletter-februar-2024
https://fusion-festival.de/de/news/nachschlag-zum-februar-newsletter
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Siehe auch:
“JUNGLE.WORLD 2024/14 INLAND
Jungle+ Artikel 2024/14
Die Veranstalter des Fusion-Festivals äußern sich vage zum Israel-Gaza-Krieg
Unterm Techno liegt der Antisemitismus
Der Israel-Gaza-Krieg beschäftigt die internationale Technoszene. Nun hat sich Deutschlands beliebtestes linksalternatives Festival zu Wort gemeldet, die Fusion.
Von Nicholas Potter
Die Timelines der Technoszene lesen sich seit dem Massaker beim israelischen Psytrance-Festival Supernova am 7. Oktober wie eine Chronik des Versagens. Weder die 364 Feiernden, die abgeschlachtet wurden, noch die 40 Geiseln, die die Hamas in den Gaza-Streifen verschleppte, noch die unzähligen traumatisierten Überlebenden, die, im Rausch der frühen Morgenstunden überrascht, teilweise zusehen mussten, wie ihre besten Freund:innen vor ihren Augen niedergemetzelt und vergewaltigt wurden, finden in der internationalen Clubszene Solidarität. Stattdessen wird der Terror der Hamas verherrlicht, Geiselplakate werden abgerissen und die Gräueltaten geleugnet.
Anfang März hat sich nun das größte Techno-Festival Deutschlands, die Fusion, zu Wort gemeldet. In einem eigens zum Thema verfassten Sondernewsletter versucht Kulturkosmos – der Verein, der das linksalternative Festival veranstaltet – angesichts der derzeitigen Kriegssituation und der Konflikte innerhalb der Kulturszene seinen Standpunkt zu formulieren. Künstler:innen und Gäste hätten sie bereits danach gefragt. Der Newsletter sei dementsprechend ein Versuch, zu vermeiden, »dass dieser Konflikt eskalativ auf der Fusion ausgetragen wird«. Das sei ihnen jedoch schwergefallen. Am Ende sei es ein Kompromiss, mit dem niemand im Team ganz glücklich sei.”
Quelle: https://jungle.world/artikel/2024/14/fusion-festival-israel-hamas-unterm-techno-liegt-der-antisemitismus
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taz online
“Fusion-Festival und Israel
Existenzrecht? Verhandelbar
Einst war die Idee des Fusion-Festivals, einen Raum ohne Zwänge zu schaffen. Doch mit der Debatte um Nahost wurde dieser Vorsatz aufgekündigt.
Fast 70.000 Leute feierten im vergangenen Jahr vier Tage lang beim Fusion-Festival. Einst war die Fusion ein Techno-Rave, inzwischen sind viele Genres vertreten. Die Fusion war aber mehr als das. „Ferienkommunismus“ war ihr Motto, sie verstand sich als temporäre autonome Zone. Eine bessere Welt ohne Zwänge sollte hier für ein paar Tage aufscheinen.
Doch jetzt muss man befürchten, dass der emanzipatorische Impetus des Festivals von den autoritären Tendenzen einer neuen Generation linker Aktivist*innen beschädigt wird, die inzwischen auch die Festivalleitung erfasst zu haben scheinen.
Im Februar hatte das Festival zwei rote Linien formuliert, „das nicht verhandelbare Existenzrecht Israels und die Verherrlichung oder Unterstützung der Hamas“. Das war richtig, denn innerhalb der so gezogenen Grenzen kann jede Kritik an der israelischen Regierung, der Besatzung der palästinensischen Gebiete nach 1967, der Gewalt von jüdischen Siedlern im Westjordanland gegenüber Palästinensern oder Israels Kriegsführung in Gaza formuliert werden.
Doch nun übt sich die Fusion in ihrem Newsletter in „Selbstkritik“, passt also die Beurteilung der Lage an die neue Parteilinie an: „Viele vermissten zu recht eine dritte rote Linie, die den Krieg in Gaza als Völkermord und die israelische Besatzungspolitik als Apartheid benennt mit einer klaren Abgrenzung gegen all diejenigen, die dies unterstützen, negieren oder verharmlosen.“
Rote Linien
Wer also denkt, dass die vielen durch israelische Bomben getöteten Zivilisten in Gaza durch das Verteidigungsrecht Israels nicht zu rechtfertigen sind, und fordert, dass Kriegsverbrechen aufgeklärt werden müssen, zugleich aber darauf hinweist, dass die arabischen Staatsbürger Israels nicht unter Apartheid leiden, sondern unter Diskriminierung, die sie jedoch nicht etwa davon abhält, Richter, Ärzte oder Kampfpiloten zu werden, wird nun mit dem Verdikt der „Verharmlosung“ rechnen müssen.
Es kommt noch schlimmer: „Wir haben uns gescheut, die Begriffe ‚Völkermord‘ und ‚Apartheid‘ selbst zu verwenden, sehen aber inzwischen, dass wir hier falsche Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten genommen haben.“ Auch die Fusion strickt jetzt an einer linken Version des „Schuldkults“.
Kein Wunder, dass sodann die eigene rote Linie infrage gestellt wird. „So undifferenziert und plakativ, wie es aus unserer deutschen Perspektive geschrieben wurde“, schließe das Existenzrecht Israels dasjenige eines palästinensischen Staats de facto aus, heißt es. Durch „die zionistische Großisrael-Politik“ werde „jegliche Perspektive zur Schaffung eines souveränen palästinensischen Staates oder einer israelisch/palästinensischen Ein-Staat-Lösung sabotiert“. Daher sei „für viele palästinensische Fusionist:innen die Anerkennung dieses nationalistischen israelischen Staats problematisch, und sie können dies, zumindest so, wie wir es gefordert haben, nicht teilen“. Das solle man respektieren. Klingt nach Awareness-Seminar, aber was bedeutet das?
Werden Aufrufe zur Zerstörung des jüdischen Staats und die Nichtanerkennung eines jüdischen Rechts auf Selbstbestimmung jetzt Platz auf der Fusion haben? Gibt es außer dem jüdischen noch einen anderen Staat, dessen Existenzrecht man jetzt diskutieren darf?
Symptom einer desaströsen Entwicklung
Die Aufkündigung des in der Linken mühsam erkämpften Konsenses, dass Israels Existenz nicht verhandelbar ist, ist keine ideologische Fußnote. Sie beschädigt massiv Idee und Praxis emanzipatorischer Politik. Wer die eine rote Linie überschreitet, wird die zweite nicht halten können.
Schon jetzt zeigt sich, dass subkulturelle und linke Gruppen wegen der aggressiv-autoritär agierenden Free-Palestine-Bewegung gelähmt sind oder auseinanderbrechen. Wer nicht „Free Gaza!“ ruft – oder gar mit „From Hamas!“ antwortet, gilt als Zionist, also als Feind der Menschheit. Linke Orte, die sich gegen Antizionismus positionieren, werden mit roten Dreiecken markiert, mit denen die Hamas ihre Angriffsziele fixiert.
Die Propagandisten in Moskau und Beijing, die längst auch mit Desinformation über den Gaza-Krieg Chaos stiften, klopfen sich auf die Schenkel. Die Statements der Fusion sind das Symptom einer desaströsen Entwicklung. Hoffentlich kriegt sie noch die Kurve.”
Quelle: https://taz.de/Fusion-Festival-und-Israel/!6011424/
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“JUNGLE.WORLD 2023/44 SEITE 16 LIFESTYLE
02.11.2023
Israelfeindliche Positionen in der Technoszene
Raven gegen Israel
Zahlreiche DJs und Clubs rufen zu Solidarität mit Palästina auf, schweigen sich aber über das Massaker an israelischen Zivilisten aus. Die Clubszene in Israel fühlt sich im Stich gelassen.
Von Nicholas Potter
Als die Killerkommandos der Hamas am 7. Oktober Israel überfielen und unter anderem ein Massaker beim Psytrance-Festival »Supernova« anrichteten, war die Clubkultur zunächst überwiegend still. Großen Teilen einer Subkultur, die sonst gerne ein progressives Selbstbild pflegt, fiel es offenbar allzu schwer, antisemitischen Terror gegen Jüdinnen und Juden eindeutig zu verurteilen. Terror gegen die eigene Szene. Nur eine Handvoll Antizionist:innen meldeten sich gleich zu Wort: DJs wie Mama Snake, SPFDJ oder DJ Plead ergriffen durch Slides und Storys auf Instagram schnell Partei für die palästinensische Seite. Solidarität mit dem jüdischen Staat, mit den mehr als 1.400 Ermordeten und über 200 Geiseln, blieb aus.
Auch Lewamm Ghebremariam, eines der geschäftsführenden Vorstandsmitglieder der Berliner Clubcommission, eines Lobbyverbands der Hauptstadtszene, begrüßte offenbar den Terror der Hamas. Jedenfalls kommentierte sie auf Instagram einen Beitrag mit Herz-Emoji und den Worten »Just a reminder«, in dem der brutale Großangriff auf Zivilisten als »Widerstand« gegen Besatzung und Apartheid bezeichnet wurde, der ein »Recht« und eine »Pflicht« sei. Der Beitrag stammte von einem amerikanisch-kuwaitischen Journalisten.
Das war kein Ausrutscher: In einer weiteren Story teilte sie einen Beitrag der Kampagne Nakba75, in dem die Worte »Free Palestine from German guilt« auf das Brandenburger Tor projiziert zu sein scheinen. Mit diesem Slogan hat die »Schuldkult«-Ideologie des rechten Rands auch die sich als links verstehende Clubkultur erreicht.
Eine Szene, die einst für Emanzipation stand, sucht die Repolitisierung – und wird mit plumper sogenannter Israelkritik fündig.
Die Clubcommission selbst veröffentlichte am 9. Oktober eine Stellungnahme zum Angriff auf das Festival, in der sie die Gewalt klipp und klar verurteilt. Nur von wem diese ausging, erfährt man nicht: Die Hamas wird kein einziges Mal erwähnt. Vergeblich sucht man zwischen vagen Worten auch nach den Begriffen »Juden« oder »Antisemitismus«. Ein Anschlag wie aus dem Nichts. Auf Anfrage der Jungle World wollte die Clubcommission sich weder zu ihrer Stellungnahme noch zu den Posts ihrer Geschäftsführerin äußern.
Dennoch wirken die Worte der Clubcommission noch vergleichsweise klar, blickt man auf den Rest der Szene. Denn einige der größten Player der Clubkultur machen aus ihrem mangelnden Mitleid für israelische Zivilist:in-nen keinen Hehl. Erst jetzt, da der jüdische Staat sich verteidigt und die Hamas ausschalten will, wird es in der Szene plötzlich wieder laut. Mehr als 4.000 Künstler:innen haben inzwischen einen offenen Brief der britischen Kampagne »Artists for Palestine UK« unterzeichnet, darunter die DJs Ben UFO und Shanti Celeste, die sich schon in Vergangenheit für die antiisraelische Boykottkampagne BDS stark gemacht hatten. Sie fordern darin einen Waffenstillstand und offene Grenzen für humanitäre Hilfe – nicht aber die Freilassung der israelischen Geiseln.
Dieser Trend kann kaum überraschen, denn in den vergangenen Jahren stießen die Boykottaufrufe der BDS-Bewegung auf immer mehr Resonanz in der Clubkultur. 2018 sagten rund 20 Künstler:in-nen ihren Auftritt beim israelischen Meteor-Festival ab, im selben Jahr folgte die Boykott-Kampagne #DJsForPalestine.
In letzter Zeit werden auch deutsche Technoclubs, die als zu »proisraelisch« gelten, von Boykotteur:innen angegangen. Und selbst israelische DJs werden in Europa manchmal gecancelt, und zwar unabhängig von ihrer persönlichen Position zum Konflikt. Eine Szene, die einst für Emanzipation stand, sucht die Repolitisierung – und wird mit plumper sogenannter Israelkritik fündig.
Die US-amerikanische DJ Manuka Honey sagte ihren Auftritt beim »Amsterdam Dance Event« mit den Worten »from the river to the sea« ab.
Das zeigt nun auch das Beispiel Resident Advisor. Das digitale Szeneblatt sammelt derzeit in einem Blogartikel Ressourcen, Solidaritätsbekundungen und Fundraising-Aktionen für Palästina, darunter die Benefiz-Compilation »From the river to the sea« von diversen Künstler:innen der elektronischen Musik. Was die Hamas unter dieser Schlachtparole versteht, hat sie seit dem 7. Oktober durch brutale Videos und bestürzende Augenzeugenberichte noch einmal ganz deutlich gemacht. Auf eine Anfrage der Jungle World reagierten die Macher:innen der Compilation nicht.
Resident Advisor teilte im Artikel auch den Aufruf von »Palästina spricht« zum globalen Streik am 20. Oktober und verlinkte auf die Instagram-Seite der Gruppierung. »Palästina spricht« nennt den Angriff der Hamas einen »revolutionären Tag«, auf den man »stolz« sein und den man »feiern« müsse. Die Gruppierung teilte auch den Beitrag ihres Sprechers, der zwischen israelischen Zivilist:innen und Soldat:innen nicht unterscheiden will – und gibt damit offenbar alle Israelis zum Abschuss frei. Und Israel? Die Opfer und Hinterbliebenen des Supernova-Festivals? Dazu schweigt Resident Advisor. Eine Anfrage der Jungle World ließ das Portal unbeantwortet.
Am erwähnten Streik für Palästina nahmen einige Akteur:innen der Clubkultur teil. Die US-amerikanische DJ Manuka Honey sagte ihren Auftritt beim »Amsterdam Dance Event« mit den Worten »from the river to the sea« ab. Auch die Tür des Amsterdamer Clubs »Garage Noord« blieb am Streiktag geschlossen – als Protest gegen den »Genozid« und die »ethnische Säuberung« von Palästina.
Die eingangs erwähnte SPFDJ schrieb auf Instagram, sie sei zwiegespalten, ob sie ihren eigenen All-Night-Auftritt im Londoner Club Venue MOT bestreiken soll. Am Ende entschied sie sich, erst nach Mitternacht, also nach Ende des Streiktags aufzulegen. Davor könne man mit ihr an der Bar über Gaza und die israelische Besatzung plaudern, hieß es weiter, auch wenn sie in einem überraschenden Moment der Selbstreflexion eingesteht, keine Nahostexpertin zu sein.
Der Online-Sender NTS Radio pausierte sein geplantes Programm, seine Büros in London und Los Angeles blieben am 20. Oktober geschlossen. Stattdessen spielte der Sender Playlists mit palästinensischer Musik sowie »Bildungsmaterial« zum Konflikt. Auffällig sind die Farben der Instagram-Kachel, auf der die Programmänderung erläutert wurde: weiße Schrift vor grünem Hintergrund – die Farben der Hamas. Daraufhin beendete das Tel Aviver Label Fortuna Records die Zusammenarbeit mit NTS: Dass der Sender das Massaker der Hamas missachtet, habe das Label schockiert. Auf eine Anfrage der Jungle World reagierte auch NTS Radio nicht.
»Wir fühlen uns verraten von einer Szene, der wir uns bis neulich zugehörig fühlten.« Guy Dreifuss, israelischer Promoter
Die Streaming-Plattform Boiler Room schaltete sich ebenfalls ein. In einer Stellungnahme verurteilt sie zwar die »entsetzlichen Attacken« der Hamas, behauptet aber auch, Israel würde »wahllos« Palästinenser:innen töten. Um Geld für Gaza zu sammeln, verkauft sie Soli-T-Shirts mit dem Aufdruck »Boiler Room Palestine«. Diese selektive Solidarität hat eine Vorgeschichte: 2018 veröffentlichte Boiler Room die Doku »Palestine Underground«, in der Einblendungen den jüdischen Staat als »Occupied Palestine« bezeichnen. Auch Boiler Room wollte sich dazu auf Anfrage der Jungle World nicht äußern.
Die israelische Clubszene, noch traumatisiert vom Massaker beim Supernova-Festival, fühlt sich wegen solcher Stellungnahmen im Stich gelassen. »Der Mangel an Solidarität und Empathie für israelisches und jüdisches Leben ist eine große Enttäuschung für viele in der Szene«, sagte Ori Raz der Jungle World. Der DJ veranstaltet die beliebte Reihe »Motivo Positivo« in Tel Aviv, betreibt das Label Liquid Memory und wohnt inzwischen in Berlin. Die positiven Werte, für die die Clubkultur stehe, seien »aus dem Fenster geschmissen« worden, so Raz. »Statt Brücken zu bauen, nutzen DJs ihre Reichweite, um weiter zu polarisieren.«
Ähnlich sieht es Guy Dreifuss. Der israelische Promoter steckt hinter vielen großen Festivals wie DGTL Tel Aviv und Port2Port, er organisiert nun eine Soli-Compilation für die Überlebenden des Supernova-Angriffs. »Wir fühlen uns verraten von einer Szene, der wir uns bis neulich zugehörig fühlten«, sagt er im Gespräch mit der Jungle World. Die israelische Szene sei größtenteils gegen die derzeitige israelische Regierung und habe auch an den Protesten gegen die Justizreform teilgenommen, so Dreifuss. »Von einer sogenannten aufgeschlossenen Community erwarten wir, dass beiden Seiten zugehört wird.« Doch der Tenor in der Szene lautet offenbar: Raven gegen Israel.”
Quelle: https://jungle.world/artikel/2023/44/antisemitismus-technoszene-raven-gegen-israel
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“JUNGLE.WORLD INLAND
05.07.2018
Israelfeindliche Gruppen auf dem Fusion-Festival
Das ist nicht der Ferienkommunismus
Auf dem Fusion-Festival fanden dieses Jahr Workshops mit Beteiligung israelfeindlicher Gruppen statt.
Von Arne Zillmer
»Eine Parallelgesellschaft der ganz speziellen Art«, schreiben die Veranstalter über das Fusion-Festival, das auf einem alten sowjetischen Flugplatz in Lärz bei Neustrelitz im südlichen Mecklenburg stattfindet. Es gilt als eines der größten linken Festivals in Deutschland. Unter dem Motto »Ferienkommunismus« können die etwa 70 000 Besucherinnen und Besucher neben dem Programm aus Musik, Performances und Kino auch ein vielfältiges Workshop-Angebot nutzen. Doch zwischen Programmpunkten wie »Bodypainting« und einem »schamanistischen Intensivworkshop« zum Auffinden »verloren geglaubter Seelenanteile« wurden diesmal auch Veranstaltungen mit Anhängern der BDS-Bewegung angeboten.
Die von dem Kulturkollektiv »Arab Underground« veranstalteten Workshops auf der diesjährigen Fusion stießen zwar auf Kritik, ein größerer Aufschrei blieb jedoch bislang aus.
BDS, kurz für »Boycott, Divestments and Sanctions«, ist eine israelfeindliche Kampagne, die auf einen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Boykott Israels abzielt. Kritiker werfen BDS schlicht Antisemitismus vor, weil die Kampagne letztlich eine grundsätzliche Delegitimierung Israels betreibe.
Die von dem Kulturkollektiv »Arab Underground« veranstalteten entsprechenden Workshops auf der diesjährigen Fusion stießen zwar auf Kritik, ein größerer Aufschrei blieb jedoch bislang aus – trotz der öffentlichen Ankündigung und der eindeutig erkennbaren Ausrichtung der Workshops. Eingeladen zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel »Cultural Boycott of Israel in Germany« waren beispielsweise Samir Eskanda, dem Workshop-Reader zufolge weltweit beteiligt an BDS-Boykott-Aktionen, sowie Vertreter der Gruppe »Jewish Antifa Berlin«, die sich zu BDS und der antiisraelischen Kampagne »Berlin against Pinkwashing« bekennt. Eskanda, ein in London lebender palästinensischer Musiker, sprach jüngst auf Twitter von durch Israel begangenem »systematischem Mord« an palästinensischen Flüchtlingen, die in Häuser zurückzukehren versuchten. Den Widerspruch, auf einem Festival mit mehreren Zehntausend Teilnehmern eine Bühne dafür zu bekommen, um über »die schrumpfenden Räume für Solidarität mit dem Befreiungskampf der Palästinenser« zu sprechen, erkannte die »Jewish Antifa Berlin« in ihrer Ankündigung der Veranstaltung offenbar nicht und frohlockte stattdessen, man freue sich »riesig über die Zusammenarbeit mit Arab Underground«.
Weniger erfreut zeigte sich unter anderem die Gruppe »Konsensnonsens« aus Potsdam, die ein Flugblatt mit dem Slogan »Nein, nein, das ist nicht der (Ferien-)Kommunismus« verteilte und dabei von Einzelpersonen unterstützt wurden. Spontan fanden sich Berichten von Fusion-Teilnehmern zufolge etwa zwei Dutzend Gegendemonstranten ein, die in Sichtweite der Veranstaltung mit Israel-Fahne protestierten. In ihrem Flyer kritisierte die Gruppe die BDS-Kampagne, deren »Strukturprinzip der antizionistische Antisemitismus« sei.
BDS gehe es nicht um eine Verbesserung der Situation der palästinensischen Zivilbevölkerung, sondern um eine Dämonisierung Israels. Dass Palästinenser selbst in israelischen Unternehmen arbeiten und ebenso von den Boykottaufrufen betroffen sein könnten, scheine nicht in »die dichotome Auffassung der Situation im Nahen Osten« zu passen. Es sei »bedauerlich, wenn auch symptomatisch«, dass linke Räume »durch den Ausfall der Reflexion immer mehr zu einem reaktionären Sumpf verkommen«. Auf eine Anfrage der Jungle World mit der Bitte um eine Stellungnahme reagierten die Festivalveranstalter, der Verein »Kulturkosmos« aus Lärz, bis Redaktionsschluss nicht.”
Quelle: https://jungle.world/artikel/2018/27/das-ist-nicht-der-ferienkommunismus
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“konkret online > Hefte > Heftarchiv > 2018 > Heft 8/2018 > Fusion gegen Israel
Fusion gegen Israel
Die BDS-Bewegung ist mitten im Kulturbetrieb angekommen.
Von Merle Stöver
Ende Juni war es mal wieder soweit: Überall packten Linke und solche, die es sein wollen, ihre Rucksäcke und entschwanden für ein verlängertes Wochenende nach Lärz in Mecklenburg-Vorpommern auf die Fusion. Kritik an dem, was hinter immer teurer werdenden Ticketpreisen und hohen Stacheldrahtzäunen als Ferienkommunismus bezeichnet wird, gibt es wahrlich genug, doch kommt diese zumeist nicht über das Belächeln des Bedürfnisses nach Gegenwelterfahrungen hinweg. Dabei sollte stutzig machen, dass eine Mitveranstalterin der Fusion bei einer Diskussion über den Umgang mit BDS verkündete, man habe sich auf dem Festival geeinigt, gemeinsam gegen das »israelische Besatzungsregime« zu sein.
Die Fusion ist dabei kein Einzelfall, sondern Symptom der Entwicklung der letzten Jahre, in denen es vollkommen normal geworden ist, Antizionist*innen mit Workshops und politischen Diskussionen Raum zur Selbstdarstellung und Vernetzung zu geben. In ferienkommunistischer Manier spricht man dann nicht von der Vernichtung Israels, sondern lieber von »Widerstand« und verschiedenen »Narrativen«. Die Boykottinitiativen und organisierten Antizionist*innen wie BDS, Jewish Antifa Berlin und ihre Gesinnungsgenoss*innen zeigen sich nicht nur kampagnenfähig, sondern extrem obsessiv: Eine Künstlerin hat einem Auftritt in Tel Aviv zugesagt? BDS-Aktivist*innen demonstrieren vor all ihren Konzerten. Ein Festival lädt israelische Künstler*innen ein? Sofort werden andere Künstler*innen mit verschwörungsideologischen E-Mails bombardiert, Israel sei Mitorganisator des Festivals, man dürfe dort nicht auftreten.
Etliche renommierte Künstler*innen unterzeichnen die Initiative Artists for Palestine UK, die das Ziel hat, Israel vollständig zu isolieren und am liebsten von der Landkarte zu tilgen, und offenbaren damit ihre Angst vor der Bedeutungslosigkeit, ihren verzweifelten Versuch, radikal zu sein und sich über Verweigerung zu moralisch integren Subjekten zu machen. Dass für diese pathische Obsession – wie immer – der Jude herhalten muss, überrascht nicht. Seine imaginierte Kulturlosigkeit soll der Boykott israelischer Kultur wahr machen. In diesem Ziel vereinen sich die Antisemit*innen, die auf der Fusion über »Narrative« diskutieren wollten, mit denen, die Festivals und Künstler*innen bedrängen und sich einen jüdischen Staat imaginieren, der überall seine Finger im Spiel hat: Mit dem Juden spielt man nicht. Seite an Seite stehen sie mit den Gestalten, die vor Konzertsälen gegen Israel flyern, und machen es zu einer Selbstverständlichkeit, gegen Israel zu sein.
In den vergangenen zwei Jahren hat der Antisemitismus einen Platz eingenommen, an dem er sich wohlfühlt: mitten im Kulturbetrieb. Ich halte es da lieber mit den Eagles of Death Metal, die auf eine Mail von Roger Waters (Pink Floyd), in der er sie zur Absage ihrer Konzerte in Israel bewegen wollte, lediglich mit zwei Worten antworteten: »F*ck you!«
Merle Stöver
Quelle: https://cms.konkret-magazin.de/hefte/id-2018/heft-82018/articles/fusion-gegen-israel.html
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“JUNGLE.WORLD 2016/21 DISKO
26.05.2016
Soll man zum Fusion-Festival fahren?
Die Massen kommen von allein
Das perfekte Festival ist die Fusion nicht, trotzdem bleibt es eines der besten in Deutschland.
Von Torsun Burkhardt [(RIP!)]
Warum ausgerechnet ich, der ich doch mit meiner Band vom König des Müritzer Kulturkosmos und somit Großen Vorsitzenden des Fusion-Festivals – man nennt ihn »Eule« – höchstpersönlich mit einem Auftritts- und Hausverbot belegt wurde, einen positiven Text über eben dieses Festival schreibe? Ganz einfach: Die Fusion ist, wenn man einen genaueren Blick auf das Festivalangebot im Allgemeinen wirft, ebenso außergewöhnlich wie wunderbar. Klar, konsequent zu sein gehört in manchen Bereichen nicht unbedingt zu den Tugenden der verantwortlichen Chefetage. So herrscht ein offen ausgesprochenes Nationalfahnenverbot auf dem Festivalgelände, wenn aber Jan Delay im Deutschland-Trikot die Bühne betritt, die Nationalmannschaft feiert und somit den sogenannten »Party-Patriotismus« zelebriert, scheint Schwarz-Rot-Gold kein Problem zu sein. Des Weiteren warf der Große Vorsitzende mir und meiner Kapelle wegen unserer israelsolidarischen Haltung »Antideutschtum« und Bellizismus vor, um im Gegenzug Fettes Brot auftreten zu lassen, nachdem die Band in unterstützender Absicht einen Truppenbesuch bei der Bundeswehr absolviert hatte. Dies legt zumindest den Verdacht nahe, dass »Eule« lediglich mit einer ganz bestimmten Nation Probleme hat. Stünde er mit dieser Sicht der Dinge nicht ziemlich alleine da, gäbe es an dieser Stelle rhetorisch Prügel und nicht die Lobeshymne, die genau jetzt beginnt.
Die Fusion ist eines der schönsten Festivals Deutschlands, wenn nicht sogar das schönste überhaupt, zumindest unter den mir bekannten, und das sind berufsbedingt wirklich eine ganze Menge. Nirgendwo sonst – außer vielleicht bei reinen Technofestivals wie der »Nation of Gondwana« – spielt das Line-up eine derart nebensächliche Rolle wie hier. Ein Headliner, der die Massen anzieht, wird schlicht nicht gebraucht, denn die Leute kommen allein wegen der ausgelassenen Grundstimmung. Wie friedlich sie ist, zeigt schon der Umstand, dass es dort sogar Glasflaschen, auf deren Herausgabe bei anderen Festivals nicht ohne Grund verzichtet wird, zu kaufen gibt. Während meiner Besuche – so viel zum Thema Durchsetzung des Hausverbots – habe ich dort nie auch nur eine einzige Schlägerei sehen, geschweige denn hautnah miterleben müssen. Der Polizei wird, und da sind die Betreiber wirklich außerordentlich konsequent, der Zutritt zum Gelände, auf dem der Spaß stattfindet, verwehrt. Das hat zwar zur Folge, dass man bei der Anfahrt illegale Mitbringsel wirklich gut verstecken und bei der Heimreise mit nervtötenden Kontrollen rechnen muss, aber diesen Umstand nimmt man nur allzu gern in Kauf, zumal das im Gegenzug bedeutet, dass man während der Veranstaltung selbst sich nicht wegen jedem Mist zu verstecken oder eine Toilette zu konsultieren hat. Das musikalische Programm lässt keinerlei Wünsche offen: Von Punk über Pop bis HipHop und House über Minimal bis Goa ist für wirklich jeden etwas dabei. Wo andere Festivals, wenn überhaupt, mit Müh’ und Not einen einzigen »Sleepless Floor« auf die Kette kriegen, bieten auf der Fusion nicht wenige Floors eine Komplettbeschallung rund um die Uhr an, weshalb in der Zeit, die das Festival dauert, problemlos auf Schlaf verzichtet werden kann, und was bitte kann es Schöneres geben, als zu der Musik deiner Wahl in den Sonnenaufgang zu tanzen?
Seit ein paar Jahren wird gebetsmühlenartig kritisiert, dass das Festivalgelände mittlerweile eingezäunt wurde. Dem Veranstalter, »Kulturkosmos e. V.«, kann man bestimmt so einiges vorwerfen, allerdings nicht den Zaun. Jedes Festival hat nunmal, nicht zuletzt der sanitären Anlagen wegen, nur begrenzt Platz, und mir ist bis dato kein anderes Festival bekannt, das teilweise – so wurde es mir von glaubwürdiger Stelle zugetragen – Besuchermengen ohne Bändchen im fünfstelligen Bereich beherbergte. Auch mit Zaun dürften sich auf der Fusion immer noch mehr Menschen kostenlos aufhalten als auf sämtlichen anderen Festivals dieser Größenordnung.
Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass die Bezeichnung »Ferienkommunismus« selbstverständlich völliger Unfug ist. Allerdings wird während der Fusion eine ganze Menge Geld zur Unterstützung antifaschistischer Projekte erwirtschaftet, und das, liebe Kritikerinnen und Kritiker, ist nun wirklich mehr, als man sonst von so manchem Festival erwarten kann.”
Quelle: https://jungle.world/artikel/2016/21/die-massen-kommen-von-allein
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Andere Kritiken, von anderen Quellen, aus anderen Perspektiven, zu anderen Themen, rund um die Fusion:
https:// missy-magazine.de/blog/2016/07/05/fusion-revisited-karneval-der-kulturlosen/
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/fusion-festival-kritik-100.html
https://www.nordkurier.de/regional/mueritz/klassenkampf-im-ferienkommunismus-das-steckt-hinter-dem-aufstand-auf-der-fusion-1746372